Wer zum ersten Mal als Patient ins Krankenhaus kommt, kennt das: Warten auf die Voruntersuchung, warten auf die Visite, Warten auf die OP, auf die Ergebnisse und – endlich – auf die Entlassung.
Was fängt man an mit so viel Zeit? Was macht man, wenn man auf einmal nichts erledigen muss, keine Aufgaben hat, wenn der Erlebnisradius nur bis zum Klinikeingang, manchmal nur bis zur Zimmertür reicht?
Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder man schlägt die Zeit tot –viel zu schade – oder man nutzt sie aus und füllt sie an. Wir sind für’s Füllen da, eine Tankstelle im Krankenhaus-Foyer sozusagen, eine Station gegen den Leerlauf und zum Auffüllen der Akkus.
Wir von der Tankstelle, das sind fünfzehn Mitarbeiterinnen, die abwechselnd und überwiegend ehrenamtlich in der Patientenbücherei des Florence-Nightingale-Krankenhauses der Kaiserswerther Diakonie arbeiten. Auf einer relativ kleinen Fläche von 40 qm haben wir allerhand zu bieten: Romane, Krimis, Biographien, Kinder- und Jugendbücher, Bildbände, Sachbücher, Ratgeber, theologische Schriften, fremdsprachige Literatur in 17 verschiedenen Sprachen, sowie Hörbücher, Musik-CDs, DVDs und Spiele.
„Wow, so eine große Auswahl, das hätte ich nicht erwartet“, bekommen wir oft zu hören. Und wenn wir dann auch noch sagen, dass die Benutzung kostenlos ist, bekommen unsere Besucher ganz große Augen – und wir freuen uns. Da stehen sie dann, Menschen im Bademantel, mit dem Infusionsständer an der Seite und suchen sich in den Bücherregalen, was sie brauchen: Spannendes und Ablenkendes, Nachdenkliches und Nützliches, Lustiges und Tröstliches. Und ganz nebenbei ergeben sich dann Gespräche. Kein Smalltalk über das Wetter, sondern Gespräche über das, was den Patienten auf der Seele liegt, denn im Krankenhaus geht es oft um existenzielle Fragen. Da kommt man viel schneller als „draußen“ auf’s Wesentliche.
Besonders die Kolleginnen, die einmal in der Woche mit dem Bücherwagen über die Stationen gehen, erzählen immer wieder, wie Patienten oft nur auf ein Stichwort warten, um endlich bei jemandem abladen zu können, was sie belastet. Da wird das gebrachte Buch dann zum Medium, zum Türöffner und statt über die Buchgeschichte redet man dann über die Lebensgeschichte des Kranken. Aber das ist in Ordnung so, mehr noch: Das ist gewollt.
Bei uns soll man auftanken können. Wir haben geschulte Ohren, um zu hören, wenn etwas nicht rundläuft und den besten Stoff für leere Akkus: Lesestoff.
Karin Lipkowicz